Staatskulturminister

Geheuchelte Remix-Culture

Posted in Autorschaft, Kommentar by bernd on Februar 8, 2010

Gestern ist bei netzpolitik ein kurzer Artikel über Remix, Plagiat und Autorschaft im Bezug auf Hegemanns „Axolotl Roadkill“ erschienen. Gepsickt mit noch größeren Lücken der Medientheorie als ich sie habe und beleidigten Verhalten eines Kleinkindes.

Es wird zwar erwähnt, „dass unsere Kultur aus Diskursen und fragmentarischer Reproduktion besteht“, aber kurz darauf wird (stellvertrend[?] für die Netzkultur) darauf verwiesen wie wichtig und notwendig es sei denUrheber“ oder denAutor“ zu nennen.

Mir stellt sich nun die Frage: Was propagandiert meine Netzkultur denn nun, den freien Umgang mit Kulturgut und die Anerkennung, dass alles was wir schriftlich produzieren (Literatur, Wissenschaft, Mathematik, Programmierung, etc) eine Form des Redens ist und somit jeder Schreiber (ich nenne ihn bewusst nicht Autor) nur auf den Sprach- und Wissensfundus zurück greifen kann, den er sich im Diskus angeeignet hat? Oder das sie im Kern genau so Machtgeil sind wie die Verleger?

Zum Verhältnis von Reden und Schreiben: Der Redner, und so auch der Schreiber, ist also davon abhäng Geistiges Eigentum zu stehlen, sich anzueignen und somit zu seinem persönlichen Geistigen Eigentum zu erklären.

Ich habe erst im letzten Semster (durch einführende Arbeit an wissenschaftliche Aufsätzen) diesen Prozess analystisch verstanden, obwohl mich seit Jahren dieses Denken durch meinen Alltag begleitet hat und ich weiterhin fest daran glaube, dass es sowas wie den Autor schlicht nicht gibt und nie gab oder je geben wird.

Zwei Texte möchte ich daher jener „freiheitsliebenden“ Netzkultur auf den Weg geben, ja ihr die ihr die Freiheit von Informationen predigt und heimlich nachts im Verborgenen auf EURE Autorschaft masturbiert!

  • Roland Barthes: Der Tod des Autors, 1968
  • Michel Foucault: Was ist ein Autor?, 1969
  • (Heinrich Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft. Über die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit, 1981) [Wieso und Weshalb das Urheberrecht nichts mit dem Autor zu tun hat, sondern eine Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen der Verleger durch die poltische Staatsgewalt war, überall]

Update: FAZ, SpOn, taz

Update 2: direkt hinter meinem trackback

  1. classless
    Feb 8th, 2010 @ 13:39

    Ach, zur Hölle mit Autorenschaft und Urheberrecht und Eitelkeiten und dem Bestreben von Verlagen zu wissen, wem sie den Scheck zustellen sollen! Sich bis zur Unidentifizierbarkeit aus dem eigenen Text zurückziehen! Die Poesie soll von allen gemacht werden, nicht von einem! Woher stammen denn die Wörter, die Grammatik, der Kontext?
    Alles selber ausgedacht? Oder schön referenziert?

    Cut the fuck up!

    http://www.classless.org/remix/

Update 3: @haekelschwein

Nur zur Info: Falls jemand mit meinen Tweets auf der Spiegel-Bestsellerliste landet, ist ruckzuck die Fresse dick! #axolotl

5 Antworten

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  1. Jörg-Olaf Schäfers said, on Februar 8, 2010 at 2:19 pm

    Nun kenne ich deine Lücken der Medientheorie nicht, wäre aber erfreut mehr über meine erfahren. Magst du sie kurz benennen? Mein Chef wüsste nämlich gerne, was er falsch gemacht hat. Danke.

    Und nein, ich erhebe nicht den Anspruch, stellvertretend für die Netzkultur zu schreiben, gleichwohl vermag ich aber auch den mühsam konstruierten Widerspruch zwischen freier Nutzung und Credits nicht zu erkennen. Kein Wunder, er existiert so einfach nicht.

    Im den Bereichen der Netzkultur, in denen ich mich heimisch fühle, sind Credits eine Frage von Fairness und Respekt (vgl. Creative Commons). Du magst das vielleicht anders sehen, das macht mich – bei aller Liebe – aber nicht zu einem „Heuchler“.

    Ach, und für den Fall, dass es nicht aufgefallen sein sollte: Bei Hegemanns Debüt handelt es sich nicht um ein Werk der Freien (Ich hoffe er Unterschied zwischen „Freien“ und „freien“ gehört nicht zu den Lücken in deinem Theoriewissen) Netzkultur, sondern um ein kommerzielles Werk. Es stammt aus einer Welt, in der Leistungsschutzrechte eingefordert werden und das Urheberrecht wie eine Monstranz vor dem eigenen Niedergang getragen wird. An dieser Welt und ihren Regeln wird es sich letztendlich messen müssen, nicht an meinem Geschreibsel.

    Ich habe übrigens ganz bewusst darauf verzichtet, mich als Richter aufzuspielen. Tatsächlich sehe ich das Versagen vor allem auf Seiten des Verlags, weniger bei der Schreiberin (Deren Aussage „Strobo“ nicht gekannt zu haben, obwohl es ihr Papa bestellt hat, bringt freilich Abzüge bei den Karmapunkten). Und ja, bei kommerziellen Werken finde ich ungeklärte Textübernahmen ganz besonders doof.

    • Bernd said, on Februar 8, 2010 at 3:53 pm

      Um meine Aussage zur präsizieren, da ich die Existenz der Autorschaft ablehne macht es für mich keinen Unterschied ob ein Werk mit oder ohne kommerziellen Interessen entsteht. Deswegen sehe ich Creative Commons auch als Klotz am Bein auf dem Weg hin zu einem wahrhaft freien Diskurs und freiem Zirkulieren von Ideen, Gedanken, Informationen und Wissen. Denn die CC basiert nun mal auf jenem Urheberrecht, welches ich in seiner Natur nicht anerkennen möchte.

      Da ich natürlich nicht die Bibliothek der einzelnen netzpoltik-Autoren kenne (somit auch deine), war meine Aussage einfach eine freche Unterstellung 😉
      Aber wie gesagt, die „Generation Remix“ (aka Generation Generation) sollte noch einmal überdenken, was sie fordert. Entweder einen freien Diskurs oder ein Beharren auf der Idee der Autorschaft, was nun mal mit einer Werkherrschaft und der Verantwortung darüber verbunden ist.

      Mir jedenfalls kam es vor, dass du zwar nicht den Richter spielst willst aber durchaus als derjenige auftritst der die Autorin an den Prager zerren will. Das Recht hast du natürlich, aber aus meiner Sicht ein falscher Ansatz für die Diskussion.

      Aber selbst wenn sie das Buch gelesen hat, welchen Unterschied macht es? Wie oft zitieren wir Quellen deren Ursprung wir nicht kennen? Dies kannst du bei jedem mündlichen Gespräch beobachten.

      Alle Fragen beantwortet?

      Liebe Grüße,
      Bernd

  2. validd said, on Februar 8, 2010 at 3:18 pm

    Die Urheber-Hysterie wird immer schlimmer.
    Danke dafür. Es ist komplett seltsam, dass hier immer auf die Remix-Kultur des Netzes referiert wird, wenn das Aneignen, Wiederkäuen und wieder ausspucken ein etabliertes, ja klassischen literarisches Verfahren ist, das von Shakespeare über Büchner, Döblin und Thomas Mann auch in der deutschen Literatur zu Hause ist. In dem Blog „gefühlskonserve“, das diesen schlimmen „Skandal“ aufgedeckt hat, hat jemand in den Kommentaren einen Link zu diesem Artikel von Karasek gepostet:
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13498191.html
    Da werden noch mal in Kürze die literarischen Vorfahren des gleichen „Verbrechens“ überführt.

  3. horst said, on Februar 16, 2010 at 1:17 am

    Bernd, sind das jetzt deine Gedanken oder nicht? Hast du das nur irgendwo zusammengeklaubt oder selber ausgebrütet? Und was spielt das überhaupt noch für eine Rolle, wenn es keine Autorschaft mehr gibt?

    • Bernd said, on Februar 16, 2010 at 10:04 am

      Natürlich ist die mehr als die Hälfte davon zusammen geklaut aka gelernt. Welchen Unterschied das macht? Nun, wenn alle das so sehen wären wir gesellschaftlich schon einen Schritt weiter.


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